Ohne Rechenzentren stünde die Schweiz still

Rechenzentren können sich zwar nicht mit einem Virus infizieren, dennoch hat Corona die Nervenzentren unserer Wirtschaft empfindlich getroffen. ISS betreibt mehr als 30 Rechenzentren in der Schweiz. Roger Lüssi, Leiter Data Center, erzählt, wie ISS trotzdem einen unterbruchfreien Betrieb gewährleistet.

Interview

Roger Lüssi, warum sind Rechenzentren systemrelevant?

Der Megatrend der Digitalisierung erfasst alle unsere Lebensbereiche, insbesondere auch die Wirtschaft. Dadurch steigt die Beanspruchung von Computern, Servern und Bandbreiten rasant. In der Schweiz verdoppelt sich die gespeicherte Datenmenge etwa alle zwei Jahre. Unsere Grosskunden aus der Finanz- und Telekombranche speichern und verarbeiten die riesigen Datenmengen in grossen Data Center, zu Deutsch Rechenzentren. Jeder digitale Geschäftsprozess wird hier abgewickelt. Deshalb sind diese Rechenzentren absolut systemrelevant. Ohne Rechenzentren stünde die Schweiz still.

Welche Services leistet ISS in diesen kritischen Infrastrukturen?

Unsere Hauptaufgabe ist es, einen unterbruchfreien Betrieb der Rechenzentren unserer Kunden sicherzustellen. Im Fokus steht die technische Infrastruktur, hauptsächlich die Kühlung und die Stromversorgung. Hier verantworten wir den Unterhalt, die Überwachung und – bei einer Störung – die Erstintervention. Die IT selbst wird von den Kunden betreut. Ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit sind präventive Unterhaltsarbeiten und das Risk-Management, aber auch die Entwicklung von Notfallszenarien oder die Beratung der Kunden bei Themen wie dem End-of-Life-Ersatz im laufenden Betrieb. Hier können wir auf einen grossen Wissensschatz zurückgreifen, denn mit 120 Mitarbeitenden und fast drei Dutzend betreuten Objekten ist ISS die grösste «Betreiberin» von Rechenzentren in der Schweiz.

Welchen Nutzen hatte die Expertise von ISS im Betrieb von Rechenzentren für die Kunden während des Lockdowns?

Die Erfahrung hat uns geholfen, die richtigen Schalter umzulegen und auch die Ruhe zu bewahren, um teilweise kreative Lösungen zu finden. Das Problem war ja der sprunghafte Anstieg der Beanspruchung der Rechenzentren. Viele Menschen haben mehrheitlich im Homeoffice gearbeitet und über VPN-Verbindungen auf die Rechenzentren ihres Arbeitgebers zugegriffen. Zudem wurden digitale Services wie Streaming und Online Shopping viel mehr genutzt. So sind einige Rechenzentren unserer Kunden an ihre Leistungsgrenze gestossen.

Wie haben Sie auf diese Mehrbeanspruchung reagiert?

Jedes Rechenzentrum hat Kapazitätsreserven, damit es bei einem technischen Problem nicht zum Ausfall kommt. Fällt ein System aus, springt das andere ein. Diese Reserven mussten einige Firmen anzapfen, was vertretbar ist, aber nur kurzfristig. Wir mussten also sehr schnell Lösungen finden, um die Kapazitäten zu erhöhen: also mehr Strom für den Betrieb und die Kühlung der Rechner. Da war Kreativität gefragt. In einem Fall haben wir in einer Woche auf dem Dach eines Rechenzentrums eine ganze zusätzliche Strominfrastruktur mit einem Megawatt Leistung aufgebaut.

Was wäre passiert, wenn ein ISS Mitarbeitender an Corona erkrankt wäre?

Das war eine Frage, die wir uns im «ISS Pandemie-Krisenstab» früh gestellt haben. Denn der Betrieb von Rechenzentren kann nicht von zu Hause aus erledigt werden. Deshalb wurden in den Rechenzentren jeweils die üblichen Corona-Regeln eingeführt – von Distanzregeln über Maskenpflicht bis hin zu regelmässigen Desinfektionen. Zudem haben wir einen Teamsplit durchgeführt, um im Fall der Fälle ein unkontrolliertes «Spreading» zu vermeiden. Drittens haben wir einzelne Schlüsselpersonen wie Teamleiter nach Hause in eine «Sicherheitsquarantäne» beordert, um die Gefahr einer Ansteckung zu minimieren. So konnten wir auch personell eine maximale Betriebssicherheit gewährleisten. Tatsächlich gab es bis heute zum Glück keine Coronavirus-Erkrankungen.

Wie haben Sie sich in diesem Umfeld auf Grenzschliessungen und mögliche Ausgangssperren vorbereitet?

Erstens haben wir in allen Anlagen die Dieselvorräte für die Notstromaggregate maximal gefüllt und auch sonst Vorräte angelegt – von Hygieneartikeln bis zu Filtern für die Kühlanlagen. Zweitens haben wir uns vom Bund vorsorglich Passierscheine ausstellen lassen, mit denen unsere Mitarbeitenden auch bei einer Ausgangssperre jederzeit jedes Rechenzentrum erreicht hätten. Und schliesslich haben wir für Mitarbeitende und Lieferanten aus Grenzregionen Ersatzszenarien entwickelt. Wir waren auf jeden Ernstfall vorbereitet.

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