Der menschengemachte Klimawandel ist in der Schweiz zu einem wesentlichen Teil auf Wohn- und Geschäftsliegenschaften zurückzuführen, die laut Bundesamt für Energie rund ein Drittel des inländischen CO₂-Ausstosses verursachen. Die Folgen des Klimawandels sind offensichtlich: So ist beispielsweise die bodennahe Lufttemperatur hierzulande in den letzten 150 Jahren um 2,5 Grad Celsius gestiegen, wie Langzeitmessungen des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie zeigen. Das sind sogar 0,9 Grad Celsius mehr als im globalen Durchschnitt, da die Schweiz fernab von kühlenden Meeren liegt.
Folge dieser Entwicklung ist, dass auch in der Schweizer Wirtschaft immer mehr über Nachhaltigkeit nachgedacht werden muss – sei es aus ethischen Gründen, aufgrund hoher Energiepreise oderrechtlicher Vorgaben durch Bund und Kantone. Die Energiemangellage Ende 2022 hat verdeutlicht, wie wichtig es auch finanziell ist, sich von CO₂-belasteten Energieträgern unabhängig zu machen. Diese waren in Folge der Corona-Pandemie und des Beginns des Ukraine-Kriegs massiv im Preisgestiegen und haben so auf die finanziellen Ergebnisse vieler Unternehmen gedrückt.
Zudem erhebt der Bund seit 2008 auf fossile Brennstoffe eine CO₂-Abgabe, derzeit sind es 120 Franken pro Tonne CO₂. Unternehmen können sich von der Abgabepflichtbefreien, indem sie sich zur Verminderung ihres CO₂-Ausstosses verpflichten.
Ein anderes Beispiel: Die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren sieht per 2030 ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen in der Schweiz vor. Im Kanton Zürich müssen diese bereits heute am Ende ihrer Lebensdauer durch klimafreundliche Heizungen ersetzt werden.
Viele Grossunternehmen haben längst auf diese Entwicklung reagiert und investieren jährlich Millionen, um ihre Emissionen zu reduzieren oder zu kompensieren. Dabei müssen die Anfangsinvestitionen nicht zwangsläufig so hoch sein. Bereits durch eine halbtägige Energieinspektion und eine geschickte Kombination aus nicht investiven und investiven Massnahmen lassen sich in vielen Schweizer Gewerbeliegenschaften in Abhängigkeit vom Alter der Anlagen und Reifegrad der bisherigen Optimierungsanstrengungen 10 bis 20 Prozent Energie sparen.
Von der «Ernte» solcher «low hanging fruits» im Energiemanagement profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch der Finanzhaushalt der Firmen: Die Investitionen sind meistens nach spätestens fünf Jahren amortisiert. Ein Beispiel: Allein, indem ein Unternehmen die Betriebszeiten der Lüftungsanlage für ein Grossraumbüro anpasst, kann es den Energie-verbrauch um 190'000 Kilowattstunden pro Jahr senken und 30'000 Franken sparen. Das heisst: Energiemanagement rechnet sich – auch für KMU.
Die Energieoptimierung eines Gebäudes ist dann effizient, wenn sie Teil eines durchdachten «Energiemanagements» ist. Per Definition ist Energiemanagement die Kombination aller Massnahmen, die bei einer geforderten Leistung – zum Beispiel das Raumklima während der Arbeitszeit – einen minimalen Energieeinsatz sicherstellen. Es bezieht sich auf Strukturen, Prozesse und Systeme sowie auf menschliche Verhaltensweisen. Was in der Theorie abstrakt klingt, ist in der Praxis mit überschaubarem Aufwand umsetzbar und zeitigt rasch Resultate.
Spezialisierte Energiemanager haben sich – abgeleitet aus dem PDAC-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) – auf einen vierstufigen Zyklus festgelegt: messen, analysieren, optimieren und Erfolg ausweisen.
Beim Messen hat sich das Prinzip «So viel wie nötig, so wenig wie möglich» durchgesetzt, denn in einem modernen Gebäude liessen sich auf jeder Etage Unmengen an Daten erheben – von der Anzahl Kaffees bis zur Menge an Kopien. Deshalb definiert ein Energiemanager oftmals mit Hilfe eines technischen Betriebsmitarbeiters zuerst die sogenannten «Significant Energy Usages» in einem Gebäude.
Das sind Anlagen mit hohem Energieverbrauch und entsprechendem Sparpotenzial beiden Medien Strom, Wärme, Kälte und Wasser. Viele moderne Anlagensind werksseitig mit einem Zähler ausgerüstet, ihre Daten sind für den Energiemanager interessant. Wo der Zähler fehlt, wird er von einem Gebäudetechniker installiert und zusammen mit den bestehenden Zählern an ein Energiemanagementsystem angeschlossen. In dieser Datenmanagementsoftware werden die automatisch erhobenen Daten abgelegt, strukturiert und gesammelt.
Um aus den erhobenen Daten Schlüsse ziehen zu können, stellt sie der Energiemanager visuell dar. Er kann zum Beispiel den Lastgang einer Lüftungsanlage visualisieren, also den jährlichen Verbrauch in Kilowattstunden, deren CO₂-Ausstoss in Kilogramm oder die angefallenen Kosten. Diese Graphen kann er Vorjahreswerten oder sogenannten Absenkpfaden gegenüberstellen: definierten Zielwerten zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Und er kann andere relevante Faktoren einbinden, wie zum Beispiel Wetterdaten, Belegungsdaten oder die Nutzungsart.
Durch die Analyse entsteht ein Eindruck der Energieeffizienz eines Gebäudes. Beliebte und sinnvolle Vergleichswerte sind vor allem nationale Benchmarks: Wie performt das Gebäude energetisch im Vergleich zu ähnlichen Geschäftsliegenschaften in der Schweiz? Ein professioneller Anbieter von Energiemanagement kann das dank Daten aus seinem Kundenportfolio beurteilen.
Bei der Analyse kommt vermehrt künstliche Intelligenz zum Einsatz, die Anomalien beim Vergleich verschiedener Datensätze viel schneller erkennt als ein Energiemanager. Wird zum Beispiel ein Gebäude freitags wenig genutzt und der Energieverbrauch ist gleichbleibend hoch, fällt das den Analyse-Algorithmen künstlicher Intelligenz sofort auf. Die Aufgabe des Energiemanagers ist es dann, diese Anomalie zu interpretieren und bei Bedarf entsprechende Massnahmen abzuleiten. Die künstliche Intelligenz lernt daraus und passt ihre Algorithmen an.
Erfahrungsgemäss deckt eine Energieanalyse in jeder Schweizer Geschäftsliegenschaft Optimierungspotenzial auf. Meist sind die durchschnittlich 40 Jahre alten Gebäude nämlich ausschliesslich auf die Nutzer und deren Komfortoptimiert, aber noch zu selten auf den Energieverbrauch.
Ausgehend von der Datenanalyse sowie von Gebäudekenntnissen und Feedback zu dessen Betrieb definiert der Energiemanager Massnahmen, wie sich Energieeinsparen und CO₂-Emissionen senken lassen. Diese können investiver oder nicht- investiver Art sein. Eine nicht investive Massnahme ist die oben erwähnte Anpassung der Betriebszeiten einer Lüftungsanlage. Hier folgen drei investive Massnahmen aus der Praxis:
› Reduktion des Energieverbrauchs um 3330 kWh/Jahr
› Reduktion der Energiekosten um 500 CHF/Jahr
› Payback innert fünf Jahren
› Reduktion des Energieverbrauchs um 13 000 kWh/Jahr
› Reduktion der Energiekosten um 2100 CHF/Jahr
› Reduktion der Unterhaltskosten um 180 CHF/Jahr
› Payback innert drei Jahren
› Reduktion des Energieverbrauchs um 25 000 kWh/Jahr
› Reduktion der Energiekosten um 6000 CHF/Jahr
› Payback innert zwei Jahren
Eine professionelle Energieberatung als Teil des Energiemanagements zeigt Unternehmen zudem, an welcher Stelle sie ihr Nachhaltigkeitsbudget optimal einsetzen und wo sich ein Kilogramm CO₂ am günstigsten einsparen lässt. Der Rückbau einer Ölheizung zugunsten einer CO₂-freien Alternative ist beispielsweise hinsichtlich CO₂-Einsparung günstiger als eine Fassadensanierung und gerade bei begrenztem Budget als Erstmassnahme vorzuziehen.
Nach der Messung, Analyse und der Umsetzung erster Massnahmen zur Energieoptimierung steht das Erfolgsreporting an. Eine vom Energiemanagementsystem generierte Verbrauchsdarstellung zeigt die aufgewendete Energie, das ausgestossene CO₂ und den ausgegebenen Franken vor und nach der Massnahmenumsetzung. Den Gebäudenutzern demonstrieren diese Ergebnisse, wie ihr Effort, Fenster geschlossen zu halten, Monitore auszuschalten und im Winter viel- leichteinen warmen Pullover zu tragen, dem Klima und dem Unternehmen hilft.
Das Management kann die Erkenntnisse aus den Reportings für die Aussendarstellung seines Beitrags zu einer nachhaltigeren Gesellschaft nutzen, im Sinne des Sprichworts «Tue Gutes und sprich darüber». Zudem werden Unternehmen und Investitionen aufgrund von Reportingpflichten wie beispielsweise der EU-Taxonomie künftig vermehrtauch hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit bewertet. Die Ergebnisse des Energiemanagements liefern einen wesentlichen Beitrag zu diesen Reportings.
Die Energiestrategie 2050 sieht für den schweizerischen Gebäudepark eine Senkung des Verbrauchs von 90 auf 65 TWh vor und das Stimmvolk hat zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens entschieden, die CO₂-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken.
Das Thema Energieoptimierung in Gebäuden wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen und auch für KMU unumgänglich. Heute sind mehr als die Hälfte aller Gebäude in der Schweiz nicht energieoptimiert. Ein effizientes Energiemanagement ist sinnvoll und zahlt sich aus.
Interview
Personenprofile
Leiter Bauprojektmanagement Schweiz
Dr. David Lunze leitet bei ISS Schweiz seit 2016 den Bereich Bauprojektmanagement mit 120 Ingenieuren und Architekten. Er verfügt über profunde Expertise im Bereich Life-Cycle Management. Neben seinem Abschluss als Diplom-Ingenieur der Technischen Universität Berlin verfügt er über ein Ph.D. der ETH Zürich.
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